Aufruf


SPIEL OHNE GRENZEN

Aufruf

Seit dem Ende der Blockkonfrontation und der Systemkonkurrenz wird von vielen ein zentrales Element des gegenwärtigen Stadiums des weltweit konkurrenzlosen kapitalistischen Systems als „Globalisierung“ bezeichnet. Sogar in Deutschland hat sich eine große, heterogene Bewegung gebildet, die seit einigen Jahren vor allem gegen die Zusammenkünfte der Vertreter der kapitalistischen Metropolen und ihrer Institutionen (WTO, NATO, EU, etc…) mobilisiert. Für manche systemoppositionellen Kräfte ist sie, auf der Suche nach einem revolutionären Subjekt, ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Es zeigt sich eine soziale Bewegung die – im Unterschied zur Ökologie- oder Friedensbewegung – die Ökonomie als Hauptansatzpunkt ihrer Aktivitäten gewählt hat. Tausende strömen gegen die ungerechte Welt auf die Straßen, ohne dass jedoch genau klar wird, was mit der kritisierten „Globalisierung“ oder dem „neoliberalen Turbokapitalismus“ eigentlich gemeint ist. Es ist an der Zeit einen fundierten Blick auf die „Bedrohung Globalisierung“ und die dagegen gerichtete Bewegung zu werfen.
Der Kongress „Spiel ohne Grenzen“ soll zwei Dinge leisten: Einerseits wird, anknüpfend an seit längerem vereinzelt geführte Debatten, die Kritik an der „Antiglobalisierungsbewegung“ überprüft, zusammenführt und weiterentwickelt. Es ist eine zentrale Frage, welche progressiven Ansätze in dieser Bewegung stecken und wie gefährlich das reaktionäre Potential darin ist. Daher soll der Kongress verschiedenen Strömungen der Linken die Möglichkeit bieten, über die Antiglobalisierungsbewegung kontrovers zu diskutieren.
Andererseits soll über die Tragfähigkeit von konkurrierenden theoretischen Modellen diskutiert werden, die den gegenwärtigen Zustand der kapitalistischen Welt beschreiben. Die möglichst genaue Analyse des von Gewalt- und Herrschaftsverhältnissen, von Ausbeutungsstrukturen und sozialen Schichtungen geprägten Systems ist Voraussetzung für die Entwicklung von Überwindungsstrategien.


POLITISCHE ÖKONOMIE
Zunächst werden in mehreren Veranstaltungen zentral diskutierte Konzepte zur Analyse des Kapitalismus auf ihre Stärken und Schwächen hin überprüft: Empire, Postfordismus, Neoliberalismus und Imperialismus.
Weiterhin wird untersucht, was sich als Hauptfeindbild der globalisierungskritischen Bewegung bezeichnen lässt: Das sogenannte transnationale Kapital. Nachgegangen wird der Frage, ob sich das Kapital in der Globalisierung aus der Bindung an den Nationalstaat wirklich gelöst hat und welche Rolle dem Nationalstaat im globalen Kräftespiel zukommt. Sind der an Geschwindigkeit zunehmende Abbau sozialer Sicherungssysteme und die verstärkten innerimperialistischen Konkurrenzkämpfe um Einflusssphären, Rohstoffe und Absatzmärkte Phänomene, die sich mit der angeblichen Auflösung des Nationalstaates in der Globalisierung erklären lassen? Und sind es Entwicklungen, die sich mit dem Ruf nach dem Sozialstaat oder der Kontrolle der Finanzmärkte aufhalten lassen? Eine Bewegung, die sich mit der Regierung einig ist, dass der Kapitalismus nicht das Grundübel ist, sondern lediglich national kontrolliert und sozial gestaltet werden muss, die blind dem strömungsübergreifenden Konsens vom „ressourcengeilen Weltpolizisten USA“ als eindimensionale Erklärung für geopolitische Neuordnungen und Auseinandersetzungen zustimmt, ist für die Linke kein Gewinn.


IDEOLOGIEKRITIK
Selbst dort, wo innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung fundamentalere Opposition gegen das kapitalistische Verwertungsprinzip eingefordert wird, tauchen nicht selten Verschwörungstheorien, längst überwunden geglaubte dichotomisch-antiimperialistische Weltbilder, antisemitische Stereotype und nationalrevolutionäre Querfrontstrategien wieder auf, denen entgegengetreten werden muss.
Auch Rechtsextreme wollen in Sachen „Globalisierungskritik“ gerne andocken. Wenn sie sich, wie schon in diversen deutschen Städten passiert, den Protestzügen anschließen und Parolen wie „Nationale Rebellion gegen die Globalisierung“ skandieren, dann reicht es nicht aus, dies allein mit deren taktischem Kalkül zu erklären. Es kommt ihnen entgegen, dass auch Bewegungs-Linke oft nicht in der Lage sind, Kapitalismus als gesellschaftliches Verhältnis zu kritisieren, sondern ihn in die einzelnen Bereiche Staat, Politik und Wirtschaft zerlegen. Das hat die Illusion zur Folge, Staat und Politik könnten den „Raubtierkapitalismus“ bändigen. Dort, wo Teile der Bewegung den Nationalstaat gegenüber dem globalisierten Kapital stärken und die Institutionen des Kapitalismus stärker kontrollieren wollen, entstehen in der Außenwirkung fatale Gemeinsamkeiten.
Was führt zur Duldung von Nazis und Antisemiten auf Demonstrationen oder zur emotional positiven Bezugnahme auf die bundesdeutsche Regierungspolitik im Konkurrenzkampf mit den USA?
Obwohl der emanzipative Anspruch großer Teile der globalisierungskritischen Bewegung denen der extremen Rechten diametral entgegenstehen, sind manche Programmatiken zum Verwechseln ähnlich. Auch relevante Teile der globalisierungskritischen Bewegung preisen die Vorzüge des Lokalen, des Nationalstaats und kritisieren statt des Kapitalismus lediglich die Finanzmärkte und das Geld.
Dabei ist im Kapitalismus jede Arbeit Ware, und der Handel von Geld unterscheidet sich nicht prinzipiell vom Handel mit Computern oder Karotten. Die Dämonisierung von Börsenhandel und Spekulation führt zur analytisch falschen Unterteilung in produktive und spekulative Sphäre des Kapitals. Dies entspricht in letzter Konsequenz der rechten Demagogie vom „raffenden“ und „schaffenden“ Kapital.


KULTUR UND IDENTITÄT
Das erste, was mit Globalisierung assoziiert wird, ist die banale Aussage, dass heute alle über kulturelle und geographische Grenzen hinweg miteinander kommunizieren könnten, so sie denn wollten. Wir wollen überprüfen, ob dies stimmt und welche kulturellen und gesellschaftlichen Implikationen und Auswirkungen dies hätte. Der Kongress wird sowohl „Globalisierung“ als auch die „Antiglobalisierungsbewegung“ als Kulturphänomen untersuchen.
Das Unbehagen über die Annahme, die zunehmende weltweite Vernetzung führe zu einer Angleichung der Kulturen, zu einem indentitätslosen Einheitsbrei unter der Vorherrschaft von Coca Cola und schlechten Soaps, lässt bei kritischen Geistern oft den Wunsch nach Authentizität aufkommen: Sei es die Verherrlichung der „naturnahen“ Lebensweise von Menschen in der sogenannten dritten Welt und damit der Wunsch, diesen den Fortschritt in Form von technischen Errungenschaften zu verweigern, sei es die Verzückung mit der mensch der Musik dieser „unverdorbenen“ Leute lauscht. Sei es die Idee, sich eine persönliche heile, spirituelle Selbstversorgerwelt aufzubauen und aus dem Verwertungsprinzip auszusteigen, sei es der Trend, der diagnostizierten „Amerikanisierung“ der Gesellschaft längst überwunden geglaubte Traditionen oder angebliche kulturelle Wurzeln entgegenzusetzen.
Die Versuche durch kulturelle Renationalisierung und Regionalisierung ein Gegengewicht zur anscheinend alles erdrückenden globalen Kulturindustrie zu setzen sind ebenso Thema, wie die identitären Konzepte von sozialen Bewegungen, ihre Ausdrucksformen und der Multikulturalismusdiskurs.

Eine Veranstaltung des Studentischen Sprecherrats. Der AStA ist ein Arbeitsausschuss des Studentischen Sprecherrats. Die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft und die Umbenennung in Geschwister-Scholl-Universität sind Forderungen der Studierendenschaft.